Freitag, 9. August 2013

Matthias - konservativ geht immer

Ich gebe es zu, ich bekomme den Anfang dieser Story nicht so richtig zusammen. Eigentlich hatte ich ihn auch bereits abgeschrieben, weil er mir zwei Wochen nicht auf meine Mail geantwortet hatte. Doch dann schrieb er doch. Er teilte mir seine Email Adresse mit und sagte, wir könnten lieber so schreiben.

Die Mails waren von Beginn an lang und witzig und von Beginn an sehr nachdenklich. Der Mann aus Potsdam schien ein Mann mit Geist zu sein. Er gefiel mir sofort. Ich ihm scheinbar auch. Wir schrieben uns immer viel und oft. 

Es war eine andere Art der Gewöhnung, die sich bei uns eingestellt hatte. Es war Gewöhnung nicht durch Zeit, sondern durch den Inhalt. Einmal sagte Matthias, er hätte das Gefühl, ich würde ihn den ganzen Tag über begleiten, es sei ein wunderbares Gefühl. so könne das bleiben. Er hatte einen Nerv getroffen.

Matthias war Christ und konservativ, wir hatten die gleichen Ansichten über Familie und Beziehung, über Berufe und den Blick auf die Welt. Und wir beide liebten Comics und Superhelden sowieso. Es war, als hätte ihn der Himmel geschickt. 

Leider schrieben wir uns so lange und so intensiv, dass wir scheinbar die Lücken mit lauter wünschen füllten. Was ich Nicht wusste von ihm, dachte ich mir dazu. Es verging kaum eine Minute, in der ich nicht schrieb oder daran dachte zu schreiben. Es gab so viel, was ich ihm sagen wollte und er wollte mir auch viel sagen, wir fanden kein Ende. Wir schrieben uns bis nachts um drei und dann wieder morgens. 

Es war, als würde die Zeit nicht ausreichen, um einander alles zu sagen.

Nach anfänglichen Hürden - voller Zeitplan und Schüchternheit - bat er mich endlich um eine Verabredung. 

Mittlerweile schrieben wir über whatsapp, also ununterbrochen. 

Er schlug vor sich unter dem Brandenburger Tor zu treffen. Außerdem wollte er vorher festlegen, wie wir uns begrüßten. Das würde schüchternen Menschen eine Hilfe sein, sagte er. Wir entschieden uns für eine Umarmung. 

Seine Bilder hatten mir gefallen. Dennoch trug ich mich mit dem Gedanken, dass er eventuell sehr schmal sei. Diese Befürchtung ging sogar so weit, dass ich schrieb, mich neben ihm eventuell zu fühlen wie die Elefantenkuh neben der Gazelle. Ich schob noch den Hinweis hinterher, dass ich nicht die Gazelle sei. Meine Bedenken stießen auf Unverständnis. Er würde meine Bilder kennen, er bräuchte keine Elfenhafte Frau, alles sei gut.

Auf dem weg von der UBahn zum Brandenburger Tor freundete ich mich mit dem Hund von Nina Hagen an. Dieser war am Rande einer Demo gegen Unterbringungen in Psychiatrien abgestellt worden und trug eine Federboa. Ich konnte nicht umhin, diesen krummen und schiefen Hund zu streicheln und ihm ein paar Komplimente zu machen. Als ich seine Besitzerin dann allerdings von der Bühne keifen hörte, da war ich unsicher, ob Psychiatrien nicht doch auch einen wichtigen Zweck erfüllten - vor allem für Leute, die dort nicht hinwollten.

Irgendwann ging ich weiter. Am Brandenburger Tor war ein riesiges Gewimmel. Trotzdem sah ich ihn sofort. Und dann sah er mich. 

Wir schlenderten durch den Tiergarten und redeten, es war ein herrlicher Tag mit viel Sonne. Ich mochte was er sagte und die Art, wie er es sagte. Matthias konnte wunderbar schimpfen und das tat er auch.

Nach Spaziergang und Flomarkt wollte er ein Eis essen und ich schlug eine Eisdiele in Kreuzberg vor. Wir kauften Eis und setzten uns in den Park. Auch dort schimpfte er. Irgendwie fand ich das putzig. Er suchte gekonnt Gebiete, in denen er sehr versiert war und legte dann los. Ich saß andächtig daneben und versuchte, meine gefühlswelt zu ordnen. 

Wie fand ich ihn eigentlich? Konnte ich ihn mir nackt vorstellen? Neben mir im Bett? 

Und während er schimpfte, Stunde um Stunde und die Nachmittagsausflügler mit den Besuchern des abends die Schicht tauschten, saßen wir auf einer Bank und versuchten, jeder für sich Sicherheit zu gewinnen.

Ich brachte ihn zur Bahn. Wir googleten den schnellsten weg und mir entging nicht, dass er vorher meine Adresse gegooglet hatte. Es störte mich nicht. 

An der Bahn umarmten wir uns nach neun gemeinsamen Stunden und jeder fuhr heim.

Zuhause angekommen wertete ich mit meinen Freundinnen und meiner Schwester den Tag aus. Wir waren alle unschlüssig. Außer meine Schwester. Die sagte nur:

Du solltest dir überlegen, ob du ihn wirklich heiß findest oder ob du Grad nen Milcheinschuss bekommst.

Das traf den Nagel auf den Kopf. Genau das war der Punkt, der mich zum nachdenken brachte. Als Mensch war er hinreißend, witzig, gebildet, gutaussehend.. Aber wo war der Funke?
Ich beschloss, den Funken wenigstens zu suchen und Matthias noch nicht abzuschreiben. Ein zweites treffen wäre drin.

Und dann wartete ich. Nichts kam. Er war online, ich konnte es sehen, aber er schrieb mir nicht. Tief im inneren fühlte ich es da schon. 

Also schrieb ich ihm eine Mail. Ich Schrieb, dass der Tag ganz wunderbar war und ich das gerne wiederholen würde.

Matthias schrieb, dass er mich nett fand, aber alles andere nicht möglich sei. Ich hätte ja sicher auch gemerkt, dass der Funke fehlte. Das hatte ich natürlich, aber geht es wirklich immer um den Funken? Ich war gekränkt. Matthias sagte, ich sollte darüber nachdenken. Wir würden das so machen, wie es für mich nicht schmerzlich sei. Auch ihm tat die Situation leid. Auch er hatte sich anderes erhofft. Aber anders als André, warf er es mir nicht vor. Das war ein Fortschritt.

Zunächst legte ich die Sache auf Eis. Ich schrieb ihm nicht mehr. Irgendwann, als ich mich sortiert hatte, konnte ich seine Einträge bei Facebook kommentieren und er antwortete. So wirklich entspannt sind unsere Unterhaltungen noch nicht. Es ist mehr ein Vorwagen und Abwägen. 

Es blieb mir nichts anderes, als weiter Ausschau zu halten. Ausschau nach dem einen, der auch den Funken spürt. Vielleicht werde ich Matthias irgendwann schreiben, wieder ausführlicher. 

Bis dahin bleiben die Superhelden die besten Männer in meinem Leben.

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