Sonntag, 4. August 2013

Jan – Irgendwer ist immer der Erste

Es war der 30. April. Zeit mal mein Profil bei Facebook aufzuräumen. Außer den Beziehungsstatus, den lasse ich mal noch ein wenig auf „Beziehung“. So weit war ich nun doch noch nicht.

Sieben Wochen waren nach der Trennung vergangen. 

Da saß ich also. Es war halb eins, die Jungs schliefen. Ich schaute unbekümmert, wer mich gepoked hatte und sah drei Inder. Sie waren mir gänzlich unbekannt, was sie allerdings nichts davon abhielt, mir in Mails auf verworrene Weise ihre Liebe zu gestehen.

Und dann war er da. Jan. Woher kenne ich den denn? Ist der mir entgangen? Vom Oktober war das poken. Da war meine Welt auch noch eine andere. Ok, mutig sein, einfach zurück. Klick. Klick. Fertig.

Wenigstens hatte ich schon festgestellt, dass wir beide einen gemeinsamen Freund hatten – einen MTV Moderator aus Berlin. Wie der in meine Liste gekommen war, blieb mir jahrelang schleierhaft. Ich habe nie gefragt. Da Patrice aber meist einen wunderbaren Status hatte und ich Zeit, um einen Spruch darunter zu schreiben, ergaben sich irgendwann Likes und Verlinkungen. Eine nette Abwechslung.

Haken drunter. Erstmal einen Kaffee. 

Und dann war da eine Mail. Jan hatte fünf Minuten später geschrieben. An dieser Stelle könnte ich nun die ganze Mail-Story schreiben, aber ich kürze es lieber ab. Es ging hin und her, bis spät abends, da wollte Jan dann telefonieren. Irgendwie kam er mir seriös vor, also gab ich ihm meine Nummer und er rief an. Wir telefonierten an diesem Abend drei Mal und mehr als vier Stunden, immer nur unterbrochen von kleineren Erledigungen, wie kochen und Anruf der Eltern.

Rückblickend – und es brauchte sehr lange, bis ich das wirklich gemerkt hatte, da war Jan schon längst wieder weg – ist er nach einer festen Choreografie vorgegangen. Ich war an einen Meister geraten. Einen verzweifelten Meister zwar, aber einen Meister. Manche Dinge verstehe ich immer erst einige Wochen oder Monate später, diese Geschichte gehört dazu.

Auch der kommunikativste Tag geht irgendwann zuende und ich schlief ein. Als ich aufwachte, hatte ich bereits eine SMS von Jan. Was ich gerade mache, er würde mich gern treffen.

Da Jan ein Profi war, hatte er innerhalb weniger Stunden alle wichtigen Fragen zur Person abgeklärt. Von ihm wusste ich, dass er Bayern München mochte, zwanzig Tage älter und 20cm größer war. Er war Offizier bei der Bundesbwehr und im IT Bereich tätig, würde aber zeitnah ein Studium beginnen. Nach seiner Zeit beim Militäratachee in Washington war er nun wieder in Berlin. Er brauchte mindestens acht Stunden Schlaf in der Nacht. Auf seinem Plan stand ein Marathon und etwas, wovon er nichts erzählen wollte. Er hatte Ziele und war bestrebt, diese im angesetzten Zeitplan zu erreichen. Bei der Bundeswehr hatte er sich für einen sehr speziellen Nahkampfkurs entschieden, den kaum einer durchhalten würde- außer er natürlich – und deswegen würden andere von der Bundeswehr, wenn er einen Raum betritt, aufstehen und ihm einen Platz anbieten. Das sei ihm selbstverständlich alles sehr lästig. Ruhm muss wirklich furchtbar sein. Naja.

So stand ich nun da, es war zwei Uhr am Nachmittag, eine herrlich unromantische Zeit. Ich hatte mir zwar die Nägel lackiert aber keinen Lidstrich gezogen. Übertreiben wollte ich es nicht und noch weniger mir eingestehen, dass ich gerade auf das erste Date nach der Trennung wartete.

Ich sah ihn sofort. Und er gefiel mir sofort. Bis auf seine Turnschuhe. Ich mag keine Turnschuhe, es gab in dieser ganzen Zeit nur einen Mann, der Turnschuhe trug und der mich trotzdem sofort verzauberte, aber das ist eine andere Geschichte und kommt erst viel später.

Die Verabredung lief wieder nach einer festen Choreografie, er erzählte und fragte. Anfangs war es etwas unterkühlt und dann wurde es witziger, lockerer, er flirtete, ich flirtete, es war gut.

Dann schaute er mich prüfend an und sagte in die Stille:“Also mir hilft es ja total, wenn ich eine Zeit auf Kohlenhydrate verzichte.“

Da war sie. Die unerwartete Wendung. Der Moment, in dem keine Worte da sind, weil das Gesagte noch nicht so richtig angekommen ist. Im Nachhinein weiß ich natürlich, was ich hätte sagen können. So wie mir im Nachhinein einiges mehr klar wurde, was diese abstruse Verabredung betrifft. Aber ich kam nicht drauf.

Es sind die kleinen Dinge, die die Fronten klären und dieser kleine Satz hatte es geschafft. Natürlich ging das Date weiter. Es dauerte sogar noch einige Stunden. Er begann sogar, mich beiläufig zu umarmen, doch das alles führte zu nichts. Zum Abschied umarmte er mich wieder und sagte, wir würden uns bald sehen, bald hören, bald schreiben.

Also wartete ich. Da wir ein Lieblingslied gemeinsam hatten, hörte ich es immer wieder. Wieder. Und wieder. Und noch einmal.

Das schöne an einer Beziehung ist, dass es kein Warten mehr gibt. Oder besser, kein Warten in Ungewissheit. Der andere wird sich schon melden. Muss er ja. Wenigstens um Schluss zu machen bedarf es eine Meldung. In Sachen Dates funktioniert das natürlich anders, doch ich war derart aus der Übung, dass ich nicht den Punkt bemerkte, an dem das Schweigen meines Handys die Antwort war, auf die ich wartete.

Drei Tage später schrieb ich ihm eine Mail, ob wir denn wenigstens knutschen könnten, wenn er schon nicht wirklich an mir interessiert war – der Mut zu dieser SMS war heldenhaft ertrunken worden und ich bewundere meine Tat noch heute.

Die Antwort kam auf dem Fuße. Jan sah ich nie wieder. Wenigstens weiß ich nun, welcher Punkt noch auf seiner Liste stand. Es war die Frau fürs Leben. Und auch wenn Jan nicht die beste Figur abgegeben hatte, so konnte ich doch rückblickend viel für künftige Dates lernen. Insgeheim bin ich Ihm dankbar. Ich schrieb ihm eine Mail. Ich bedankte mich für den netten Nachmittag und wünschte ihm alles Gute für die Suche nach der Richtigen.


Vor kurzem war ich auf seinem Profil bei Facebook. Er scheint die Richtige gefunden zu haben. Das einzige, was ich dieser Frau wünsche ist, dass sie auch weiter Kohlenhydrate essen darf.

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