Es war der 30. April. Zeit mal mein
Profil bei Facebook aufzuräumen. Außer den Beziehungsstatus, den
lasse ich mal noch ein wenig auf „Beziehung“. So weit war ich nun
doch noch nicht.
Sieben Wochen waren nach der Trennung
vergangen.
Da saß ich also. Es war halb eins, die
Jungs schliefen. Ich schaute unbekümmert, wer mich gepoked hatte und
sah drei Inder. Sie waren mir gänzlich unbekannt, was sie
allerdings nichts davon abhielt, mir in Mails auf verworrene Weise ihre Liebe
zu gestehen.
Und dann war er da. Jan. Woher kenne
ich den denn? Ist der mir entgangen? Vom Oktober war das poken. Da
war meine Welt auch noch eine andere. Ok, mutig sein, einfach zurück.
Klick. Klick. Fertig.
Wenigstens hatte ich schon
festgestellt, dass wir beide einen gemeinsamen Freund hatten –
einen MTV Moderator aus Berlin. Wie der in meine Liste gekommen war,
blieb mir jahrelang schleierhaft. Ich habe nie gefragt. Da
Patrice aber meist einen wunderbaren Status hatte und ich Zeit, um
einen Spruch darunter zu schreiben, ergaben sich irgendwann Likes und
Verlinkungen. Eine nette Abwechslung.
Haken drunter. Erstmal einen Kaffee.
Und dann war da eine Mail. Jan hatte fünf Minuten später geschrieben. An dieser Stelle könnte ich nun die ganze Mail-Story
schreiben, aber ich kürze es lieber ab. Es ging hin und her, bis
spät abends, da wollte Jan dann telefonieren. Irgendwie kam er mir
seriös vor, also gab ich ihm meine Nummer und er rief an. Wir
telefonierten an diesem Abend drei Mal und mehr als vier Stunden,
immer nur unterbrochen von kleineren Erledigungen, wie kochen und
Anruf der Eltern.
Rückblickend – und es brauchte sehr
lange, bis ich das wirklich gemerkt hatte, da war Jan schon längst
wieder weg – ist er nach einer festen Choreografie vorgegangen. Ich
war an einen Meister geraten. Einen verzweifelten Meister zwar, aber
einen Meister. Manche Dinge verstehe ich immer erst einige Wochen
oder Monate später, diese Geschichte gehört dazu.
Auch der kommunikativste Tag geht
irgendwann zuende und ich schlief ein. Als ich aufwachte, hatte ich
bereits eine SMS von Jan. Was ich gerade mache, er würde mich gern treffen.
Da Jan ein Profi war, hatte er
innerhalb weniger Stunden alle wichtigen Fragen zur Person abgeklärt.
Von ihm wusste ich, dass er Bayern München mochte, zwanzig Tage
älter und 20cm größer war. Er war Offizier bei der Bundesbwehr und
im IT Bereich tätig, würde aber zeitnah ein Studium beginnen. Nach
seiner Zeit beim Militäratachee in Washington war er nun wieder in Berlin.
Er brauchte mindestens acht Stunden Schlaf in der Nacht. Auf seinem
Plan stand ein Marathon und etwas, wovon er nichts erzählen
wollte. Er hatte Ziele und war bestrebt, diese im angesetzten
Zeitplan zu erreichen. Bei der Bundeswehr hatte er sich für einen
sehr speziellen Nahkampfkurs entschieden, den kaum einer durchhalten
würde- außer er natürlich – und deswegen würden andere von der
Bundeswehr, wenn er einen Raum betritt, aufstehen und ihm einen Platz
anbieten. Das sei ihm selbstverständlich alles sehr lästig. Ruhm muss wirklich furchtbar sein. Naja.
So stand ich nun da, es war zwei Uhr
am Nachmittag, eine herrlich unromantische Zeit. Ich hatte mir zwar
die Nägel lackiert aber keinen Lidstrich gezogen. Übertreiben
wollte ich es nicht und noch weniger mir eingestehen, dass ich gerade
auf das erste Date nach der Trennung wartete.
Ich sah ihn sofort. Und er gefiel mir
sofort. Bis auf seine Turnschuhe. Ich mag keine
Turnschuhe, es gab in dieser ganzen Zeit nur einen Mann, der
Turnschuhe trug und der mich trotzdem sofort verzauberte, aber das
ist eine andere Geschichte und kommt erst viel später.
Die Verabredung lief wieder nach einer
festen Choreografie, er erzählte und fragte. Anfangs war es etwas
unterkühlt und dann wurde es witziger, lockerer, er flirtete, ich
flirtete, es war gut.
Dann schaute er mich prüfend an und
sagte in die Stille:“Also mir hilft es ja total, wenn ich eine Zeit
auf Kohlenhydrate verzichte.“
Da war sie. Die unerwartete Wendung.
Der Moment, in dem keine Worte da sind, weil das Gesagte noch nicht
so richtig angekommen ist. Im Nachhinein weiß ich natürlich, was
ich hätte sagen können. So wie mir im Nachhinein einiges mehr klar
wurde, was diese abstruse Verabredung betrifft. Aber ich kam nicht
drauf.
Es sind die kleinen Dinge, die die
Fronten klären und dieser kleine Satz hatte es geschafft. Natürlich
ging das Date weiter. Es dauerte sogar noch einige Stunden. Er begann
sogar, mich beiläufig zu umarmen, doch das alles führte zu nichts.
Zum Abschied umarmte er mich wieder und sagte, wir würden uns bald sehen,
bald hören, bald schreiben.
Also wartete ich. Da wir ein Lieblingslied gemeinsam hatten, hörte ich es immer wieder. Wieder. Und wieder. Und noch einmal.
Das schöne an einer Beziehung ist,
dass es kein Warten mehr gibt. Oder besser, kein Warten in
Ungewissheit. Der andere wird sich schon melden. Muss er ja.
Wenigstens um Schluss zu machen bedarf es eine Meldung. In Sachen
Dates funktioniert das natürlich anders, doch ich war derart aus der
Übung, dass ich nicht den Punkt bemerkte, an dem das Schweigen
meines Handys die Antwort war, auf die ich wartete.
Drei Tage später schrieb ich ihm eine
Mail, ob wir denn wenigstens knutschen könnten, wenn er schon nicht
wirklich an mir interessiert war – der Mut zu dieser SMS war
heldenhaft ertrunken worden und ich bewundere meine Tat noch heute.
Die Antwort kam auf dem Fuße. Jan sah
ich nie wieder. Wenigstens weiß ich nun, welcher Punkt noch auf
seiner Liste stand. Es war die Frau fürs Leben. Und auch wenn Jan
nicht die beste Figur abgegeben hatte, so konnte ich doch
rückblickend viel für künftige Dates lernen. Insgeheim bin ich Ihm
dankbar. Ich schrieb ihm eine Mail. Ich bedankte mich für den netten Nachmittag und wünschte ihm alles Gute für die Suche nach der
Richtigen.
Vor kurzem war ich auf seinem Profil
bei Facebook. Er scheint die Richtige gefunden zu haben. Das einzige,
was ich dieser Frau wünsche ist, dass sie auch weiter Kohlenhydrate
essen darf.
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