Samstag, 10. August 2013

Dr. Habibi - Ich freue mich, ich habe mich gefreut, ich freue mich

Meine Mama und ich sind ein ganz wunderbares Team. Niemand kann mich so schnell so trösten und niemand kann mich so schnell auf die Palme bringen. Es ist, wie in vielen Mutter-Tochter-Beziehungen und manchmal noch viel besser.

Seit meiner Trennung waren meine Mama und ich noch ein ganzes Stück näher gerückt. Sie teilte meine Wut auf den Mann. 

Ich finde es sehr gut, dass in deinem Privatleben so viel Bewegung ist. Männer sollte man sich ganz genau anschauen, die ändern sich nicht.

Meine Mutter wusste, wovon sie Sprach. Meine Eltern waren zusammen, seit sie sechzehn waren, verlobt seit sie achtzehn waren und seit sie einundzwanzig waren verheiratet - das alleine waren 42 Jahre. Es konnte wirklich eine lange zeit werden. Mein Vater war kein einfacher Mensch und meine Mutter hatte es auch nie versucht, ihn zu ändern. Die Ehe glich einem Loriotfilm. 

Sicherlich werde ich über einige Erfahrungen mit meinen Eltern auch in diesem Blog schreiben, aber nicht heute. 

Zum Muttertag hatte ich ihr geschenkt, dass wir das Konzert eines Babysittenvaters besuchten. Meine Mama war sehr aufgeregt und erzählte allen, es würde ein piekfeiner Abend werden.

Das Konzert des Quartetts sollte in einem Club in Kreuzberg stattfinden. Für meine Mutter - die mit diesem Teil von Kreuzberg noch immer etwas anrüchiges verband - war das der absolute Knaller. Schon auf dem weg zum Watergate war sie total aus dem Häuschen. Mütter. 

Als wir angekommen waren ergatterten wie hervorragende Plätze und ich Aperol für mich und Cola für meine Mutter.

Auf dem weg zum Tresen sah ich ihn. Für einen Moment war es, als würde ich erstarren. Da stand er. So etwas war mir lange nicht passiert. Das war es wohl, was die Männer meinten, als sie vom Funken sprachen. Und in diesem Moment wurde mir klar, dass er gefehlt hatte. Bis jetzt.

Manchmal ist die Welt klein - sehr klein. Es stelle sich heraus, dass der Mann ein guter Bekannter des Babysittenvaters war und ich war dankbar über diesen Zufall.

Nun gibt es verschiedene Arten von Familien, mit denen ich Zutun habe. Mit manchen bleibt es immer sehr distanziert, was gar nicht schlimm sein muss - mit anderen ist es dann aber anders. Mit Julia war es anders. Als der Mann mich verließ berichtete ich es ihr und sie fand ehrliche Worte für meine Situation. Es sprach also nichts dagegen, sie nach dem zauberhaften Mann vom Konzert zu fragen. 

Julia berichtete sofort alles, was ihr auf Anhieb einfiel. Er war Gynäkologe, Ende dreißig, geschieden und aus Syrien. Nach seinem Studium in Damaskus hatte er in Deutschland Geige studiert. 

Wir waren entzückt von der Idee, dass er auf Hochzeit von Julia in vier Wochen da sein würde. 

Die kommenden vier Wochen musste also einiges getan werden. Ich brauchte ein neues Kleid - meine Therapeutin sagte, was mit tiefen Ausschnitt sei gut. Mit meiner Schwester und Anna machte ich mich also auf den weg. Ich probierte vierzig Kleider an. Vielleicht waren es auch mehr. Meine Schwester probierte auch und Anna griff sich ein Brautkleid. Und so standen wir vor dem Spiegel. Viki und ich hatten dasselbe Kleid an und Anna war eine Traum in weiß. Auf der stelle hätte ich uns drei Blumenkränze für die Haare Flechten können. Das suchen nach einem Kleid hatte ein Ende.

Die Woche vor der Hochzeit musste gut geplant sein. Ich badete in Milch und Honig, ich zupfte hier Haare und lackierte dort Nägel, ich probierte Frisuren aus und Fett zurückdrängende Unterwäsche. 

Am Tag der Hochzeit machte ich mich vormittags auf den weg. Ich war innerlich im Zeitplan.

Der kleine Mopsi hatte allerdings anderes Zutun, nämlich das, was Kinder meistens Zutun haben, wenn ihre Eltern heiraten: Fieber haben. Das würde schon alles klappen. Zwar würde er an mir sitzen wie eine kleine Fliege, aber Herrenbegleitung war Herrenbegleitung, auch wenn der Herr erst ein Jahr alt war.

Die Feier war wunderbar, nie in meinem ganzen leben hatte ich eine so wunderschöne und strahlende Braut gesehen und nie einen so verzauberten Bräutigam.

Der Mopsi hatte noch immer Fieber und es war das beste, wenn er schön weit von Mama-Braut ferngehalten wurde, denn nur wenn er nicht die Auswahl hatte sass er zufrieden auf meinem Arm. 

So stand stand ich nun da, schob dem Mopsi ab und an Bretzel in den Mund und überprüfte mein Outfit. Die Haare hatten bis jetzt recht gut gehalten und ich war zuversichtlich. Mehr ging wirklich nicht. So wie es jetzt war, war es gut und besser würde es nicht werden.

Manchmal nehmen Veranstaltungen eine ganz andere Wendung. In meinem Leben passiert das meistens, wenn ich eigentlich alles strategisch durchgeplant habe. Dies war so ein Fall.

Natürlich hatte ich ihn sofort gesehen. Und er gefiel mir noch immer. Er begrüßte den Mopsi und mich. Wir plauderten ein wenig. Oh, der hat aber schöne Haare, der Mopsi - Jaja, er hat sich ordentlich zurechtgemacht für die Hochzeit der Eltern, für den besondere Glanz in den Augen hat er sogar Fieber in Kauf genommen - Oh, Fieber! Ja, der Arme! Er sieht wirklich müde aus!

Dr. Habibi versorgte mich ab da mit Getränken. Mich und die Trauzeugin. Die war nämlich auch ohne Mann da. Und Stewardess war sie auch. 

Ich muss nun einmal anmerken, dass ich von der Figur einer Stewardess weit entfernt bin. Zwar wollte ich im Kindergartenalter mal Seiltänzerin werden, aber mit genauerer Betrachtung zerschlug sich dieser Traum. Ich bin das, was Kinder weich und kuschelig nennen. Der Vorteil ist, dass ich wenigstens proportioniert kuschelig bin. Dieser Problematik bin ich mir bewusst und weiß, dass jeder wohl sein Päckchen zu tragen hat. Mein Päckchen ist nur deshalb stabil, weil ich zu den großen Brüsten auch einen dicken Hintern habe. Gestern sagte ein Kind, auf meinen Brüsten könnte man ein Tablett abstellen, ob ich das mal versucht hätte - nein, habe ich nicht. 

Kurz und gut: Die Sache war gelaufen. Ich hatte einfach keine Chance. Fiebernder Mopsi hin oder her. Das machte keinen Unterschied. Und auch die Getränke, die Dr. Habibi mir weiterhin brachte machten keinen Unterschied. Ich sah ihn so an, wie er die Stewardess ansah. Die Stewardess sah ihn allerdings nicht so an. Wir hatten alle drei irgendwie verloren. 

Der Mopsi und ich gingen um halb acht ins Hotelzimmer. Der Tag war anstrengend genug gewesen. Aber auch spannend. 
Natürlich hatte mir das einen ziemlichen Dämpfer verpasst. Natürlich war ich traurig. Einen Monat Pläne, Hoffnungen, Vorfreude und dann nichts. Aber war es wirklich nichts?

Ich hatte einen großen Sieg davon getragen. Ich hatte wieder einen Funken gespürt. Genau das war der Moment, an dem ich wirklich wieder frei für etwas neues war. Es ging nicht um Habibi, es ging um mich. Ich hatte es geschafft und mich überwunden. 

Zwei Tage später war ich im Zoo. Ich war zwar zufrieden, wollte aber wenigstens Habibi noch mein Interesse signalisieren. Vielleicht war das mit einem fiebernden Mopsi untergegangen. Wenigstens das wollte ich noch.

Ich schrieb ihm eine kurze Mail bei Facebook, dass ich zwar die tollste Herrenbegleitung des Abends gehabt hatte, aber mir vielleicht andere tolle Gäste entgangen sind.

Seine Antwort kam sehr schnell und bestand vor allem aus der Floskel Ich freue mich. In einer sehr kurzen Mail hatte er dreimal geschrieben, dass er sich freut. Außerdem schrieb er, würden wir uns sicher wieder mal über den Weg laufen. Er freute sich jedenfalls. Mensch, ein fröhliches Kerlchen, dachte ich noch. Aber mir war längst klar, dass es eine potentielle Abfuhr war. 

Eine weitere Mail schrieb ich nicht. Ich wollte Habibis Freude ja nun nicht ins Unermessliche steigern. 

Meine Schwester hatte die Geschichte natürlich, wie alle meine Mädels, aufmerksam verfolgt. Das einzige was sie dazu sagte war: 

Gynäkologen können durch einen Briefschlitz eine Vierraumwohnung tapezieren.

Dem gab es eigentlich nichts hinzuzufügen, außer: Ich freue mich.





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