Montag, 23. Juni 2014

Alles in Allem

Nach sehr langer Zeit schaute ich mal wieder auf mein Onlinedating-Profil.
Zwei Nachrichten von buckligen Typen, die mich sofort erschaudern ließen später, fragte ich mich, ob das eine gute Idee war.

Warum war ich wieder hier?

Abwechslung brauchte ich nicht. Es gab Ferdinand und Magic würde es auch jederzeit geben. Ich war froh nicht mehr verliebt zu sein und wollte mich auch erstmal nicht verlieben. Wahrscheinlich konnte ich das auch nicht. 

Meine Zeit verbrachte ich lieber mit meinen Katzen, dem ziemlich besten Freund, meiner liebsten Klassenkameradin von damals oder damit, endlich mal meine Therapeutin zu erreichen. 

Draußen brüllte die Sonne aber in mir brüllten andere Dinge. Ich brauchte endlich meine weiteren Termine, die nötige Verlängerung, mehr Mackenarzt sowieso. Irgendwas. Bloß nicht wieder krank werden. 

Es war eigentlich alles wie immer und doch fühlte es sich schwerer an, als sonst. Vor Kummer und Anstregung waren mir in den letzten Wochen Haare ausgefallen, Augenbrauen ausgegangen, und nachts biss ich so stark die Zähne zusammen, dass mir morgens ein halber Zahn fehlte. Kurz: ich war irgendwas zwischen Kay One, Bridget Jones und einer Vogelscheuche. Die Welt war schon mal schöner. 

Es war, als hätte mir etwas wieder den Schutzmantel abgerissen, den ich mir nach der Trennung mühsam angelegt hatte.

Da saß ich nun. Vor mir mein Profil, die Nachrichten, die Bilder. Ich hatte mir so viel erhofft und so wenig bekommen. Aber zugegebenermaßen hatte ich am Ende auch emotional nichts mehr imvestiert.

Viele meiner Dates waren mittlerweile gelöscht, hatten wohl jemanden gefunden, mehr Glück gehabt als ich. Sich vielleicht auch einfach mit weniger zufrieden gegeben oder vielleicht auch mit nichts und hatten das Kapitel erfolglos abgeschlossen.

Und mittendrin ich.

War das überhaupt noch meins? Wollte ich so jemanden finden? Hatte ich womöglich gar keine Wahl? Oder redete ich mir ein, keine Wahl zu haben und hatte die aber sehr wohl?

Fest stand: als ich das Profil ansah und die Mails, der Hinweis auf gelöschte Profile, die neuen Leute, da war es ein bisschen von allem. Es war die Möglichkeit nach dieser Pause neu zu beginnen. Es war die Möglichkeit das alles hinter mir zu lassen und das Profil zu löschen. Und als letztes die Idee so weiter zu machen.

Letztendlich war es fast egal, wofür ich mich entscheiden würde. Anstregend wäre alles. Und am Ende bleibt doch die Ungewissheit. 

Ich klappte den Laptop zu. Die Entscheidung musste nicht heute getroffen werden. Aber fürs erste war ich wieder da. Bereit für neues. 

Alles in allem mit Hoffnung.. Aber auch ein bisschen kaputt gegangen. 


Mittwoch, 11. Juni 2014

Ziemlich beste Freunde

Auf der Suche nach dem richtigen trifft man manchmal auf Männer, die auch ohne nackig zu sein das Leben bereichern.

Und genau so traf ich Andreas. Er war auf einmal einfach da. Das komische war eigentlich, dass es sich anfühlte, als sei er immer da gewesen. 

Erst schrieben wir und merkten dann: oh! Wir sind einander ähnlich!

Mit einem mal las ich:

Ich möchte deine Stimme hören. 

Er klang vertraut und an diesem Tag, an dem ich nur weinen wollte, da schaffte es Andreas mich zum Lachen zu bringen. Es sollten noch viele dieser Tage folgen.

Sich im anderen erkannt fühlen, wenn es um gar nichts geht. Sich einfach so zeigen können, wie man ist - war das vielleicht die wahre Erfüllung in den Dreissigern? Konnte das nicht so viel mehr bieten? Mehr Ehrlichkeit? 

Die anderen verstehen uns einfach nicht! Sie sind nicht wie wir.

Nicht.Wie.Wir. Genau darum ging es. Andreas war zu einem Zeitpunkt da, als ich mich in diesem ganzen Datingsumpf, mit Männern wie Mann mit Katze, Ferdinand und Magic Lars einfach nur unverstanden fühlte von allem und jedem.

Und als das unsagbare passierte und ich mich in einen Mann Mal so wirklich verliebt hatte, da war Andreas da. Stunden. Tagelang. Tröstete. Heiterte auf. Schaffte es, dass mich nicht alleine fühlte.

Nicht. Wie. Wir. Darum ging es immer wieder. Und vielleicht konnte ich ihm deshalb so viele Dinge erzählen, die sonst keiner wusste. Vielleicht auch, weil ich ihm zu moppelig war und er mir zu dünn. Dieses andere WIR war ausgeschlossen.

Er hatte eine Frau, mit der er zusammen war und eine, die er liebte - oder zu lieben begann. Auch er war zerrissen von Selbstzweifeln, Müdigkeit und dem Gefühl eine andere Sprache als der Rest der Menschen zu sprechen. Ich hatte zwar keinen Freund und lieben tat ich auch niemandem, dennoch kannte ich das Gefühl. 

Andreas wollte alles. Wollte niemanden aufgeben. Niemanden ausnutzen und keiner Frau etwas vormachen. 

Wieso ist denn nicht alles möglich?

Ist es doch.

Das war unsere fest Überzeugung, mit der wir jedoch alleine dastanden. In jedem Gespräch. Zwei Stunden. Vier Stunden. Sechs Stunden. Immer das gleiche: warum geht nicht alles? Warum muss man sich für alles rechtfertigen?

Und dann fragte er eines nachts:

Kann es sein, dass wir uns durch diese Herangehensweise alles verbaut haben?

Und diese Frage konnten wir ausnahmsweise mal nicht zusammen beantworten. Sondern jeder im Stillen. Für sich selbst.


Montag, 2. Juni 2014

Simon - Ich kann dir einfach alles verkaufen!

Simon war toll. Anders kann ich es auch jetzt nicht beschreiben. Er war lustig, clever, blond und mochte Fußball. Wir lasen die gleichen Bücher und auch die gleichen Zeitungen. 

Kurz: eigentlich gibt es so nen Mann nicht.

Nachdem wir fleißig hin und her geschrieben hatten, verabredeten wir uns in einer Kneipe. Er kannte die Kneipe, ich kannte die Kneipe, gutes Zeichen.

Wir erkannten uns sofort und er schien mir auch so zu sein, wie ich in den Mails den Eindruck bekommen hatte.

Also sass ich da, wir tranken Bier, wir lachten. Überhaupt hatten wir eine große Schnittmenge. Wir fanden die gleichen Kindernamen gut und die gleichen Kindernamen scheisse. Wir mochten beide Humor, der immer eine Schublade zu tief Griff. Wir beide mochten blonde Haare - und wir beide hatten blonde Haare! Ich mochte Polohemden und bei ihm gehörten sie zur Grundausstattung. 

Könnte man es sich im Leben aussuchen und wären wir nicht alle so auf Dopamin getrimmt, er wäre genau der Mann gewesen, mit dem es gut gepasst hätte. 
Es war ja nicht mal so, dass ich die Idee sonderbar fand, ihn nackt zu sehen - ich hätte nur einfach nicht gewusst, was ich dann mit ihm hätte machen sollen.

Simon erzählte von seinem Job - so richtig verstand ich ihn nicht, aber es erinnerte mich an "Lord of war" .. Simon war irgendwo da tätig, wo man Akzeptanz für Dinge schaffte, wo die Gesellschaft eigentlich besser dran war, wenn sie sich davon verabschiedete. Simon konnte ungefähr alles schön reden. Zigaretten (er selbst war Nichtraucher). Waffen (er war nicht mal beim Bund gewesen). Einfach alles. 

Würde jemand in Deutschland die Scharia einführen wollen, er hätte Simon engagieren müssen und sofort wäre der Zuspruch grandios gewesen. Wahrscheinlich hätten sich alle Diebe selbst die Hände abgehakt, weil Simon die Idee so gut hätte verkaufen können.

Ich glaub, ich kann den Leuten alles verkaufen.

Das sagte er mit einer Mischung aus Gleichmut und absurderweise auch Bescheidenheit. Er beherrschte seinen Job. Und damit sei Job nicht ihn beherrschte wollte er so schnell es ging bei gleicher Bezahlung in einer Viertagewoche. Kurz überlegte ich, wie in so einer Firma wohl Verhandlungen stattfinden. Wenn alle alles verkaufen können, wenn alle den anderen überzeugen können, wo war dann der Ausgleich? 

Also tranken wir und lachten. Er erzählte von seiner Liebe zu Schalke, seinem angegilbten Duschvorhang in Blau weiß (mittlerweile Blau gelblich)  und dem Wunsch nach Kindern. 

Hätte. Hätte. Hätte. 

Auch Wochen später kommt er mir wie eine sehr gute Idee vor. Er war die Idee davon, wie ich wollte, dass mein Mann wird. Aber er war nicht dieser Mann.

Als wir uns verabschiedeten, da sagte er, es sei ihm eine große Freude gewesen und ich glaubte ihm. 

Doch so ist es mit diesen Dingen. Diese Dinge ohne "Muss ich haben"-Effekt. Wie Kleider die am Haken unglaublich schön aussehen. Kleider, die in der Theorie wie ein Frühlingstraum wirken und angezogen wie Omas Blümchenvorhänge.

Er war es nicht für mich und ich nicht für ihn. Er meldete sich nie wieder. Es war ok. Mittlerweile hat er sein Profil gelöscht.

Und ich bin von herzen überzeugt, dass er eine Frau gefunden hat und für dieses neue Abenteuer wünsche ich ihm das beste. 

... Und warte auf mein eigenes Abenteuer. Irgendwann wird es so schon da sein. Mein ganz wunderbares geblümtes Frühlingskleid. Und es wird passen.