Sonntag, 5. Januar 2014

Echtzeit - Mein Glück

Ab jetzt wiederholt es sich. Der morgen danach, die erste traurige Woche ohne ihn. Das wegschicken der Bücher. Alles.

Natürlich denke ich auch: vor zwei Wochen saßen wir gerade in der Küche und frühstückten und lachten. Er nahm immer ein Brötchen aus der Tüte, teilte es durch und legte jedem eine Hälfte auf den Teller. Dabei strahlte er, Trank Kaffee aus einer Tasse mit Rosen und leerte stetig mein Glas Nutella.

Vor zwei Wochen sprach er über den Urlaub. Ich zählte ihm auf Hebräisch bis zehn vor und wir übten Schimpfwörter. Wir waren aufgeregt und freuten uns. Er machte Witze darüber, wie ich in Ramallah Kopftuch tragen müsste.

Er nahm im Schlaf meine Hand. Er lag auf meinem Sofa und schlief. Er lächelte im Schlaf und der Kater, der auf ihm lag lächelte auch. Er ist angekommen, dachte ich nur. Doch ich hatte mich geirrt. Er war vielmehr dabei, sich zu verabschieden.

Er sprach über Zukunft und machte Sprüche über uns in zwanzig Jahren. Wir lachten darüber und in mir keimte langsam Hoffnung auf. Hoffnung auf eine Zeit, in der nicht alles relativiert würde. Hoffnung auf eine Zeit, in der das warten ein Ende hat. 

Wie schnell sich doch alles ändert. Es ist wie weggewischt. Ich kann mich noch in die Situationen hineinfühlen. Aber sie kommen unendlich weit weg vor.

Vielleicht liegt nun eine andere Frau in seinem Bett. Vielleicht kocht er nun mit einer anderen. Schaut mit dieser anderen Frau (meine?!) DVDs ... Vielleicht hat Mister Start up nun eine andere Frau, mit der er über Bücher und Politik und lauter kopfkram spricht. Und er wird sie anstrahlen und wird seine Augenbraue heben und sie wird sich fühlen, wie ich mich damals fühlte: angenommen.

Hätte ich etwas anders machen müssen? Hätte ich mich mehr rar machen müssen? Die kalte Schulter zeigen? Spielchen spielen? Ist es das, worum es geht? Spielchen? Dem anderen bewusst ungute Gefühle zufügen? 

Beim nächsten wird alles anders. Das habe ich oft gedacht. Da wirst du alles anders machen. Aber ich machte das nie. Und nun, mit 31 denke ich das erste mal: du wirst es beim nächsten mal nicht anders machen. Du wirst es genauso machen. Ich habe Leonhard gezeigt, wie ich wirklich bin. Nur durch das einlassen auf ihn, hat er mit seinen Worte mein Innerstes berührt. Dadurch entsteht Nähe. Nicht durch Spielchen. Nähe und Glück entsteht nicht, in dem man den anderen bei der Stange hält, in dem man Psychotricks anwendet. So findet sich kein Glück.

Glück ist, wenn man den anderen betrachtet, wenn er schläft und unglaublich schön findet. Glück ist, wenn man gemeinsam Pläne schmiedet. Glück ist, wenn man Narben im Gesicht des anderen entdeckt oder eine verirrte Sommersprosse. 

Glück war, wenn Leonhard schlief und ich auf seinen Leberflecken am Arm Klavier spielte. Das war mein Glück. Und dieses Glück fand statt, weil ich mich auf ihm eingelassen habe. Voll und ganz. Mit allen Konsequenzen.

Der Preis mag hoch sein. Aber ich würde ihn wieder zahlen. Und sei es nur für diesen kurzen Moment, in dem ich in seine Augen sah und wusste: Er mag mich so, wie ich bin.


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