Montag, 17. März 2014

Hannes - Kreuzberger Nächte

Das passt nicht. Ein bisschen merkte ich das ab der ersten Mail. Sofort im ersten Kontakt und nach Betrachtung seines Profils wurde mir das klar. 

Mehrere Kinder. Keine weiteren Kinder vorstellbar.

Rumms. Start up Revival. Furchtbar. Der nächste bitte! 

Dennoch schrieben wir weiter, auch wenn alles aussichtslos schien. Zumindest war er clever, hatte eine tolle Brille und schöne Haare.

Nach mehreren Wochen Geschreibe machten wir ein treffen aus und verschoben es gleich wieder. 

Dann war der Abend da. Keine Aufregung. Kein Lampenfieber. Nix. 

Ich sah ihn und dachte: Haare schön. Brille schön. Mann schön. Aber ich strahlte nicht. Es war nicht, wie bei diesen magischen treffen, bei denen ich begann zu leuchten, ab dem Moment der Begrüßung. Es war nur ein kleines glimmen.

In der Kneipe suchten wir einen wunderbaren Tisch nahe am Tresen. Unsere Woche war anstrengend gewesen, wir brauchten Alkohol und das mit stetigem Nachschub. Keine zeit vergeuden.

Doch da, mit jeder Minute, mit jeder Stunde, veränderte sich etwas. Ganz langsam und anfangs merkte ich das gar nicht.. Ich begann zu Strahlen. Mehr und mehr, mit jedem Witz den er erzählte, mit jedem mal, dass ich ihn zum lachen bringen konnte. 

Ich fühlte mich wie ein Frosch im Kochtopf, der erst merkte, dass er kochte, als es bereits zu spät war. 

Hannes war 38 und trotz seiner Kinder und seiner gescheiterten Beziehungen nicht desillusioniert. Und erwachsen war er auch nicht. 

Was sind für dich die drei wichtigsten Politiker?

1… Adolf Hitler
2… Hmm... Schwer!!! Stalin!
3. das ist leichter! Guttenberg!

Wir tranken das sechste Bier des abends und lachten. Wir erzählten von damals, als er Metal hörte und lange Haare hatte und als ich HipHop hörte und weite Hosen trug. 

Zwischendurch, fast unbemerkt suchte er  Körperkontakt. Erst wenig, dann immer mehr. Es war nicht unangenehm. Er war mir ja auch nicht unangenehm. Im Gegenteil! Hannes hatte diesem Humor, der immer einen Schritt zu weit ging und den ich ihm trotzdem nicht übel nehmen konnte. 

Mein leben ist eine Mischung aus Mad Men und Breaking Bad. Und deins?

Bridget Jones. 

Stimmt. Du bist Bridget Jones.

Nächstes Bier, bitte. Und gleich einen Schnaps dazu. Es gab nichts zu verlieren, weil es nichts zu gewinnen gab. So einfach.

Es war bereits zwei Uhr in der früh. Die Kneipe war noch immer voll, nur die Gäste hatten gewechselt. Die mitfünfziger Berufstrinker waren den jungen Männern ohne Bartwuchs gewichen. Nur wir waren mich über und irgendwas dazwischen. 

Wir waren beide unglaublich müde, aber gehen schien keine Option. Uns war beiden wohl klar, dass wir zu unterschiedlich waren, aber wir hatten auch beide bemerkt, dass wir einander spannend fanden. 

Nächstes Bier. Nächste nebensächliche Berührung. Nächster grenzwertiger Spruch. Lachen. Gähnen. Bleiben.

Da saßen wir nun und sprachen darüber, wie wir unsere Eltern geärgert hatten und über Geschwister. Wir sprachen nicht über Beziehungen und auch nicht über seine Kinder. 

Einer der Berufstrinker war über und schleuderte auf unseren Tisch vor. Lallend blieb er stehen. Betrachtete uns. Grinste. 

Junge! Knöpf die dir vor! Tolles Mädel hast du da! Wirklich! Sex haben werdet ihr! Sex! 

[sprachlosigkeit bei uns... Betretenes schweigen ... Der Berufstrinker wechselt seinem Blick in Zeitlupe zu mir

Mädchen! .... Mädchen ... Ein Prachtexemplar! Der besorgt es dir richtig! Aber das weißte ja! Sieht man! Viel Spaß euch! Als ich noch so Jung war... Verdammt, was hatte ich für guten Sex!

Er stolperte davon... Drehte sich um.. Kam wieder.. Klopfte Hannes auf die Schulter und lachte. Und weg war er. 

Nach ein paar Minuten schweigen mussten wir so sehr lachen, dass es uns in dem ganzen Qualm den Atem raubte.  Am Ende hatte Hannes vom Lachen solche Schmerzen, dass er sagte, das könne auch ein Herzinfarkt sein. 

Nächstes Bier. Nächster Witz. Blick auf die Uhr... Oh!

Wir waren hungrig und schlenderten Burger essen. Wie selbstverständlich legte er den Arm um mich. Ich war verwirrt und müde und betrunken und ließ das einfach geschehen. 

Als er mich zur Bahn brachte war ich so neben der Spur, dass ich nicht wusste, wie das nun weitergehen sollte. Kurze Umarmung zum Abschied. Wir bleiben in Kontakt! Tschüss! Weg.

Als ich Zuhause war fiel ich ins Bett. Einfach nur schlafen. Nachdenken. Nie wieder trinken.

Der morgen danach fühlte sich so an, wie erwartet. Schmerzhaft.

Hannes Mail kam nachmittags. Es war ein toller Abend. Er bedankte sich und sagte, er fände mich spannend. Aber da sei leider kein Funke.

Ich war erleichtert.

Schnell antwortete ich ihm. Es ginge mir auch so. Und wir wunderten uns beide und waren trotzdem froh über den Abend. 

Dann eben ein anderer. Trotzdem haben Hannes und ich Kontakt. Und bald gehen wir wieder trinken bis morgens um vier. Ohne Funken. Wer braucht den schon?






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