Mittwoch, 26. Februar 2014

Ich blogg für dich - Richard und Julia.

Da ist sie wieder! Trommelwirbel! Danke für den neuen Eintrag, meine liebe Julia! Aber nächstes mal gibt's mehr Sex! 

Schelmisch grinsend wiederholte Richard sich: „Ich will dich ausführen, Julia. So richtig ausführen! Lass mich dein Gentleman sein!“
Was so romantisch klingt, war ein fast schon grotesk anmutendes Ansinnen, eingebettet in die lauten Partygeräusche und inmitten betrunkener, grabschender Männer. Irgendwie war ich gerührt… alle versuchten mich billigst anzubaggern und Richard sprach von einem romantischen Date. „Nein, Richard. Du bist betrunken und willst mich nur abschleppen, genau wie alle die Anderen hier.“ „Doch, ich mag betrunken sein aber ich meine es so wie ich es sage! Morgen werde ich dich anrufen und ein Date ausmachen.“ 
Irgendwie war er so süß, wie er da stand mit seinem Hundeblick. Fast hätte ich vergessen was für ein betrunkener Prolet in ihm steckte, sobald ihn jemand nur durch seine Anwesenheit provozierte: „Ey du Arsch, hör auf mich hier vollzutexten, du kannst eh nicht saufen!“
Durch seinen astromischen Pegel hatte er meinen Helferkomplex aktiviert – etwas, das mehr Eindruck auf mich machen kann als Aussehen oder Charme, wie die Vergangenheit zeigte.
Am Ende des Abends war ich absolut entzückt von Richard, der so grob zu den Männern war und so liebreizend zu mir– und verließ die Party im Arm seines besten Freundes Klaus. 

Einen Tag später bekam ich den Anruf. Nie hätte ich gedacht, dass Richard a) noch wusste was er gestern gesagt hatte und b) überhaupt schon wieder stehen konnte!
„Wie siehts aus? Bist du heute damit einverstanden, dass ich dich ausführe?“ Uuuuuuh… mein Gewissen meldete sich. Massiv! Funktionierte die Kommunikation bei Männern etwa nicht? Ach, was für abstruse Gedanken… natürlich nicht!
„Ja aber ich hole dich ab.“ antwortete ich. „Ääähm, ok?“
Ich ließ ihn weder fahren noch bezahlen. Irgendwie muss ihm schon während unseres Treffens in dem Café aufgegangen sein, dass etwas nicht stimmte. 
Wir kannten uns schon länger aber der romantische Teil war neu… Ich musste es ihm sagen. Nur… wie sagt man so was? “Hey hör mal, ich finde dich super süß aber ich hab heute Nacht mit deinem besten Freund geschlafen!“ Nein. „Was hälst du von von Sex ohne Liebe“ Äääähm… nein! 
Irgendwie sagte ich es letztendlich. Richards Blick war ungläubig, dann traurig, dann fast gebrochen. Wieso machte ich so einen Scheiß auch immer? Sein Freund war ein stadtbekannter Schürzenjäger. Was ihm an Schönheit fehlte, machte er durch Penetranz wett. Richard war optisch zwar nicht ganz mein Fall weil er mir zu klein war, war aber durchaus ein gut aussehender Mann. Trotzdem ist er kein Unschuldslamm: Seine Bestürzung über meine Eskapade ging nicht um mich, sie drehte sich um das Verhältnis der beiden Männer zueinander. 
Ich schämte mich in Grund und Boden… Die Stimmung kippte, Richard sagte so was wie: „Ich werde niemals etwas mit einer Frau haben, an der Klaus schon dran war!“ und ich fuhr ihn wieder heim. Als ich auf dem Rückweg allein im Auto auf dem Weg nach Hause saß, lief im Radio Summertime Sadness.

Kiss me hard before you go
Summertime sadness
I just wanted you to know
That, baby, you're the best
Jedes mal wenn ich dieses Lied höre muss ich an diesen Tag im August 2012 denken. Ich war nicht verliebt in Richard (und ich sollte es auch niemals sein) aber trotzdem war ich traurig. Über mich selbst, über mein nicht vorhandenes Privatleben, über meinen Absturz mit Klaus. Irgendwie alles. 
I've got that summertime, summertime sadness
S-s-summertime, summertime sadness
Got that summertime, summertime sadness
Zwei Wochen später sah ich ihn auf einem Geburtstag wieder. Er hatte sich erneut bis zum Anschlag betrunken und gab sich redliche Mühe mich zu ignorieren: Sobald ich in der Nähe war, ging er oder schaute er weg um sich mit den anderen Partygästen zu unterhalten. Das machte mich wahnsinnig wütend! Was fiel diesem Typ ein? So toll war er nun auch wieder nicht… Ich war eingeschnappt -mein Jagdfieber war ausgebrochen: Ich redete ihn einfach an, sobald er in der Nähe stand. Das, in Kombination mit seinem Pegel, machte es ihm fast unmöglich mich weiterhin zu ignorieren. Irgendwann packte ich ihn am Arm und sagte: „Wir müssen uns unterhalten!“ Keine Ahnung ob er sonderlich begeistert war – er wehrte sich jedenfalls nicht. (ich fürchte das hatte mit dem Alkohol zu tun…) 
Wir gingen in einen Nebenraum. Erst schimpfte ich wieso er mich so ignorierte, dann flirtete ich wie ein Weltmeister mit ihm. Das ist etwas, das ich sonst nie tue: Von mir geht niemals die Initiative aus aber ich wusste, dass ich nicht verliebt war und dass es nur darum ging, dass er an meinem Ego gekratzt hatte, also waren mir meine Prinzipien egal. Richards Prinzipien („Niemals werde ich etwas mit einer Frau haben, an der Klaus vorher dran war!“) weichten sich ebenfalls mehr und mehr auf. 
Und dann passierte es: Ich hatte meinen Kopf leicht in Schräglage, stand sehr nah vor ihm und blinzelte bereits minutenlang mit einem halben Lächeln in seine Richtung, so dass er eigentlich keine Wahl hatte als mich zu küssen. Und das tat er. Und wie.. Wir küssten uns ca. 30 Sekunden lang und dann stoppten wir und schauten uns ungläubig an. Keiner von uns war darauf vorbereitet gewesen! Richard sagte: „Küsst du immer so?“ und ich antwortete fassungslos: „Nein!“ Unser Kuss war nicht nur gut, er war magisch gewesen! Ein Kuss wie ich ihn das letzte Mal als Teenager bekommen hatte: voller Hingabe aber gleichzeitig unschuldig. Sanft aber nicht langweilig. Wir schauten uns an und wussten: Das musste wiederholt werden!
Diesmal waren es nicht nur 30 Sekunden, es waren 10 Minuten. Ich fühlte mich wie auf der Schule, als es noch wichtig war sehr gut zu küssen, als die Männer Küsse noch nicht als reines Vorspiel missbrauchten, als man noch des Küssens wegen küsste. 
Nach den 10 Minuten wildem Rumgeknutsche waren wir uns einig, dass das noch nicht alles gewesen sein konnte. Ich ging mit zu ihm, wir saßen auf dem Sofa, küssten uns stundenlang und hörten dabei Carly Rae Jespen. 

Hey, I just met you,
and this is crazy,
but here's my number,
so call me, maybe?
Natürlich fummelten wir irgendwann auch. Wenn man so gut küsst, wird man heiß. Zum Glück wollte erst Richard nicht noch weiter gehen („Äääh, Klaus!“ *heul* *nerv*) und als er schließlich soweit war, wollte ich nicht mehr. Ich hatte meine Bestätigung, mehr brauchte ich nicht. Morgens um 6 Uhr stand ich auf und ging nach Hause. 

Before you came into my life
I missed you so bad
And you should know that
I missed you so, so bad

Natürlich hatten Richard und ich danach keinen Kontakt mehr. Ich sah, dass er in der Folgezeit sehr viele hübsche Frauen connectete und deren Bilder likete. Es störte mich nicht. Richard ist ein strategischer Liker – offenbar war er noch Single. 

Ca 1,5 Jahre später war plötzlich diese Mail in meinem Facebookpostfach: „Hey, wie geht’s dir?“ Was machst du so? Wir haben uns ja ewig nicht gesehen!“ und ich grinste in mich hinein. Achso, Richard war also wieder abserviert worden und suchte nach Bestätigung. 
Was sich aus dem folgenden Email Verkehr entwickeln sollte, hätten wir beide selbst niemals für möglich gehalten: Wir sind jetzt die besten Freunde. Es kam so schleichend, erst schrieben wir viel, dann fingen wie an zu telefonieren: Unsere derzeitige Situation ist ähnlich. Am meisten zusammen geschweißt hat uns aber die Analyse unserer jeweiligen Datingpartner. Nicht dass es uns bisher viel Erfolg beschieden hätte – aber wenigstens sind wir uns sicher alles im Nachhinein verstanden zu haben. 

Richard provoziert gerne, oft nimmt er Positionen ein, die er unter normalen Umständen nicht unterstützen würde, nur um anzuecken. Tief in seinem Inneren ist er aber ein Guter. Ein Misanthrop - aber ein Guter. Er ist nicht der Freund, der einem beim Umzug hilft oder der zuverlässig ist, dafür hat er die schönste Telefonstimme der Welt und vierstündige Telefonate mit ihm vergehen wie im Flug. Mittlerweile weiß er so viel über mich, dass ich es mir niemals mit ihm verscherzen sollte! 

Übrigens waren wir uns beide einig, dass unsere Küsserei eine 10 war – auf einer Skala von 1 bis 10, wobei die 10 eigentlich nicht vergeben wird. Das brachte mich dazu darüber nachzudenken wie er wohl im Bett wäre, schließlich hängen diese beiden Dinge zusammen aber ich habe es zum Glück nie rausgefunden, denn dann wären wir jetzt sicher nicht so gut befreundet.



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