Sonntag, 14. Februar 2016

Magic Lars - Bleibt alles anders

Das erste Mal neben jemandem aufwachen ist eine sonderbare Sache. Das erste Mal neben jemandem schlafen auch. Manchmal ändert das alles. Eigentlich immer. Spätestens dann weiß  ich, ob das ganze eine gute Idee war.

Lars und ich hatten nie eine Nacht zusammen verbracht. In drei Jahren war das nie passiert. Er hatte es mehrmals angeboten und ich Gebetsmühlenartig abgelehnt. Dafür gab es noch nicht mal einen besonderen Grund. Es fühlte sich einfach sonderbar an, diese Idee. Doch Lars möchte sich kümmern und ich möchte bekümmert werden. Es ist ein guter Deal, vor allem ein sicherer. 

Also sagte ich ja. Und die zusage fühlte sich gut an. 

Lars scheint aufgeregt am Abend. Bereits Tage vorher hatte er ununterbrochen geschrieben.  

Als ich dann vor seiner Tür stehe kommt mir dann doch alles reichlich absurd vor. 

Hey Baby! Strahlt er. Gleiches Spiel, wie immer. Er greift mir automatisiert an den Hintern, ich mache einen garstigen Spruch. Er nimmt meine Tasche. 

Sein Zimmer ist immer ordentlich
Sein Rad hängt an der Wand. Im Regal stehen Air Max neben "Wem die Stunde schlägt". 

Wollen wir einen Film sehen? Ich hab auch neue Comics. Und ich habe gekocht. 

Du bist ja die perfekte Hausfrau, Liebling! 

Dass Lars zu mehr als Bratkartoffeln im Stande wäre, war mir neu. 
Seine Mitbewohnerin kommt aus ihrem Zimmer. Auch eine Premiere. Ich hab nie eine dieser Frauen getroffen. Egal welche Uhrzeit. Es war wie eine Pseudo-WG. Jetzt gibts diese WG wirklich und ist nicht länger Magic Lars' one Man Show. 
Wir essen alle zusammen Reisnudeln mit Gemüse. Irgendwie asiatisch. Vor allem aber wirklich gut. Der Mann isst kein Fleisch mehr und alleine dafür hat er es sich verdient, mir beim Abwaschen mehrmals an den Po zu langen. Er redet von Tofu und weniger Alkohol und ich würde alles für einen Jägermeister geben.

Wir lachen und erzählen und es fühlt sich komisch an, mit einem Mal so kopfüber in Lars Leben reinzufallen. 

Komm, wir gehen Tanzen!

Und ehe ich es mich versehe, laufen wir die Treppen runter, zur SBahn. Kaufen Bier. Küssen. Lachen. Rennen in einen Club, den wir beide wie blind kennen. Bier. Küssen. Lachen. Tanzen. Eine Stunde. Zwei Stunden. 

Lass uns gehen! Sage ich. Ich mag nicht die ganze Nacht unterwegs sein.

Küsse in Hauseingängen folgen, bis wir einsehen, besser ein Taxi zu nehmen, wenn wir vor dem Morgen ankommen wollen.

Als wir heimkommen liegen wir noch auf dem Sofa und schauen fernsehen. Ich bekomme Decken und Limonade und Sprüche, die alle Frauen von ihm bekommen. Er kann halt nicht aus seiner Haut. Immer wieder nicke ich ein und erschrecke, als ich merke, wo ich bin. 

Es wird Zeit fürs Bett. Routinierter Ablauf. Man kennt sich, ohne einander wirklich nahe zu kommen. Wir kennen einander und andere zur Genüge. Wir sind austauschbar, der Abend ist es nicht. So vollgepackt mit neuen Dingen. 

Ich schlafe erstaunlich gut. Zwar kann ich nicht wirklich tief schlafen, aber ich liege wenigstens nicht wach.

Das hasse ich. Neben Menschen liegen, die seelenruhig schlafen, während bei mir die Gedanken Achterbahn fahren. Wo Fragen durch meinen Kopf rasen. Will er mich? Will er wonanders sein? Was wird das? 
Lars und ich sind unterschiedlich und das tut gut.
Lars ist immer genau dort, wo er sein will. Ich finde mich einfach immer nur irgendwo wieder. Heute Nacht nicht. Genau hier will ich sein. Also keine Achterbahn, kein Grübeln, nicht wachliegen voller Angst, es könnte die letzte gemeinsame Nacht sein.

Viele Männer, die ich mochte, lächelten im Schlaf. Dieses zufriedene Lächeln, was keine Probleme kennt. Lars schläft einfach nur. Und ich schlafe auch und halte mich nicht Ewigkeiten  mit Interpretationen auf.

Und so vergehen die Stunden und mit den Stunden vergeht die Einsamkeit. Während Lars unermüdlich im Schlaf nach mir in der Dunkelheit tastet, wenn er meinen Halbschlaf bemerkt und flüstert: Mach die Augen zu, Baby! 

Am Morgen werde ich früh geweckt. Lars schläft nicht lang. Nie. Darum schreibt er auch immer recht früh morgens schon. Ich schlafe gerne und vor allem werde ich gerne ohne Lärm wach. Lars ist nicht laut, aber sein Haus ist es. Als würde mich ganz Friedrichshain wachbrüllen. 

Ich halte noch einen Moment die Augen geschlossen, in der Hoffnung, dem Krach dieses elendigen Hipsterbezirkes zu entgehen. Doch an Schlaf ist nicht mehr zu denken. 
Ich bin allein im Zimmer. Ich kann das fühlen. Lars läuft durch die Wohnung, hantiert in der Küche.  
Irgendwann geht die Tür auf.  

Baby, mir ist gestern was aufgefallen!

Lars wirft sich auf sein Bett. Ich hasse es, wenn er schon ganz wach und frisch geduscht ist, während ich noch ganz im Schlaf bin. 

Beim Tanzen? Was denn? Murmle ich leise.

Immer wenn Männer in Polohemden vorbeikommen, mit Bart und Brille oder Frauen, die wie Justin Bieber aussehen - 

Ruby Rose! Du meinst Ruby Rose!

Baby, Ruby Rose ist ein Justin Bieber Double! 

Fick dich! 

Ist aber so! Egal jetzt! Jedenfalls immer dann siehst du nichts anderes! Nichts! 

Worum es geht ist mir noch nicht so wirklich klar. Wie er darauf kommt noch weniger.

Das stimmt doch gar nicht! Du tust ja so, als würde es mir total den Stecker ziehen. 
Außerdem habe ich dich nie für eine Frau sitzen lassen! 
Wie kommst du überhaupt dadrauf?

Ich zog mir die Bettdecke über den Kopf. Hier gab es nicht mal Kaffee! Lars trank nie Kaffee und der Gedanke an Tee war mir zuwider. Lars saß da und schaute mich an.

Du verschwindest einfach immer für Monate oder Wochen. 

Das mag sein, aber du suchst mich auch nie. 

Lars überlegt.

Und ich weiss selbst, das stimmt nicht. Ich weiss, dass ich mich so gut verstecke, dass suchen nicht helfen würde. Ich will gefunden werden und tue doch alles dagegen. 

Ich geh dir vom Bäcker einen Kaffee holen. Handtücher sind im Bad. 

Lars?

Hm?

Und ich lächle ihn an, bevor er sich umdreht. Ich muss nichts sagen. Lars weiß Bescheid. 




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen